Ein Interview mit Hassnae El Mezzawi über Rollenanforderungen an geflüchtete Männer und Frauen
Teilhabe gestalten in Spannungsfeldern
„Viele der Männer können den unterschiedlichen Rollenerwartungen und -anforderungen gar nicht entsprechen, weil diese sich teilweise auch widersprechen”.
Rollen wechseln. Brücken bauen. Damit kennt Hassnae sich aus. Sei es als Dolmetscherin, Ehrenamtliche, Sozialarbeiterin in Notunterkünften für Geflüchtete oder als Kurskoordinatorin bei einem Bildungsträger.
Wir kennen uns. Gemeinsam haben wir 2016 in Notunterkünften mit Geflüchteten (und hierbei vor allem mit Männern) gearbeitet, geflucht, gespielt, gelacht.
Beim Modellprojekt „Rollenspielen 2019 – Ab jetzt spielt Begegnung die Hauptrolle“ arbeiteten wir nun zum ersten Mal wieder zusammen. In neuen Rollen: Als Moderationstandem bei Tischkicker- und Diskussionsrunden, die sich ausschließlich an junge Männer mit und ohne Flucht-/Migrationserfahrungen richten und einen Reflexionsraum für Fragen zu Privilegien und Herausforderungen an Männlichkeiten bieten.
Welche Rolle spielte es dabei für Hassnae, die einzige Frau im Raum gewesen zu sein? Wie geht sie damit um, dass viele Geflüchtete in ihr eine Brückenbauerin sehen? Welche Ausgrenzungserfahrungen hat Hassnae bisher in Deutschland gemacht und wo fühlt sie sich heimisch?
Eine Gesprächsrunde mit Männern zum Thema „Männlichkeiten“ als Frau mit mir zusammen zu moderieren; wie fühlte sich das für dich an?
Ich war sehr gespannt darauf zu sehen, wie die Männer wohl reagieren werden, wenn ein Mann und eine Frau, ohne dass es angekündigt war, zusammen die Veranstaltung moderieren. Wir beide kannten die Männer nicht. Die Männer kannten uns nicht. Und sie kannten sich untereinander teils auch nicht.
Ich hatte eine leitende Verantwortung bei der Veranstaltung und nicht etwa nur eine kleine Nebenrolle. Das fühlte sich sehr gut an. Nach dem Motto: „Bam, ich bin eine Frau und ich habe hier was zu sagen!“.
Welche Rolle spielte es für die Männer, dass du eine Frau bist?
Ich bin mir gar nicht sicher, ob das für sie eine große Rolle gespielt hat. Sie haben sich nicht viel anmerken lassen. Niemand war besonders vorsichtig oder besonders höflich. Wichtig ist, es normal aussehen zu lassen, dass eine Frau dabei ist. Es also nicht extra groß anzukündigen zum Beispiel.
Welchen Moment fandst du während der Veranstaltung überraschend gut?
Als ich plötzlich mit Tischfußballspielen musste, weil ein Mann eine Zeit lang verschwunden war. Der Mann, mit dem ich dann im Doppel gespielt habe, hat mich motiviert und gesagt: „Komm, wir schaffen das. Wir gewinnen zusammen!“. Dabei kannten wir uns ja gar nicht und nicht jeder Mann will in einem Turniermodus ausgerechnet mit der einzigen anwesenden Frau im Doppel spielen. Da war ich sehr positiv überrascht. Wir haben zwar das Spiel verloren, aber er hat am Ende das Turnier gewonnen, was mich wirklich sehr gefreut hat.
Welchen Moment fandst du während der Veranstaltung überraschend irritierend?
Wir haben ja mit den Männern ein „Positionsbarometer“ gemacht. Sie mussten sich zu von uns gemachten Aussagen im Raum positionieren, je nachdem, ob sie der Aussage zustimmen oder eher nicht zustimmen. Bei der Aussage „Mädchen oder Junge, egal. Hauptsache gesund!“ haben sich zwei junge Männer alleine auf der einen Seite positioniert und gesagt, dass sie sich unbedingt einen Jungen wünschen. Da war ich im ersten Moment sehr irritiert, weil ich weiß, dass viele Männer, die so eine Haltung haben, diese Ansichten im öffentlichen Raum eher verbergen. Sie wissen, dass das hier nicht gerne gesehen wird. Aber im zweiten Moment habe ich dann gesehen, dass es Provokation war. Sie haben dort mit Absicht gestanden, nur um ein wenig zu provozieren. Das fand ich dann eher witzig.
Jetzt war es ja eine sehr große Gruppe bei dieser Veranstaltung in Hannover mit über 20 Männern. Glaubst du, in einer kleineren Gruppe hätten diese beiden Männer sich anders verhalten?
Definitiv. Vieles ist nur Gehabe, nur Getue. In der Gruppe machen sie so was. Aber wenn ich draußen mit den Männern gesprochen habe, war der Ton, die Wortwahl, anders. Sie waren weicher, respektvoller, weil sie nicht das Gefühl hatten, dass sie sich vor jemanden beweisen müssen. Und ich habe ihnen gegenüber vorher ausgestrahlt, vor mir braucht ihr euch nicht zu beweisen.
Was hast du bei der Veranstaltung über die Männer gelernt?
Ich habe gelernt, dass wir sie teilweise falsch einschätzen. Dass sie durchaus über Männlichkeitsthemen sprechen wollen. Wir sind ja gestartet damit, dass die Männer sich mit von uns vorab ausgelegten Bildkarten kurz vorstellen. Und da dachte ich schon, das ist vielen der Männer viel zu persönlich. Aber viele waren gleich sehr offen und haben Persönliches mit der Gruppe geteilt.
Was wolltest du den Männern mit auf den Weg geben?
Mir war es wichtig, ihnen als Frau zu sagen, dass sie nicht diese Bilder und Vorstellungen von Männern haben müssen, die ihnen vorgesetzt werden. Dass sie nicht „hart“ sein müssen, um ein Mann zu sein. Denn auch ich als Frau sehe einen Mann immer noch als Mann an, wenn er vor mir Gefühle zeigt, Trauer und Tränen zulässt.
Wenn ein Mann vor einer Frau weint, empfinde ich das als ein großes Vertrauen. Männer gefallen mir, wenn sie echt sind, wenn sie Gefühle zeigen. Und nicht, wenn sie wie ein Stein sind. Was soll ich mit solch einem Mann?
Wie würdest du eine Gesprächsrunde aufsetzen, die sich ausschließlich an Männer richten soll, um mit ihnen über Vorteile und Herausforderungen von Männlichkeit(en) ins Gespräch zu kommen?
Ich würde erst Vertrauen aufbauen und Verständnis für ihre Situation und ihre Herausforderungen zeigen. Ich würde mit meinen eigenen Lebensbeispielen arbeiten; damit, dass ich auch einen Vater habe, dass ich Brüder habe. Und mein Vater und meine Brüder kommen mit ihren …weiterlesen>>>